Warngeräusch (AVAS): Wie klingt ein Elektroauto?
10. Februar 2020 von Timon Werner

Mit dem Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS) verlieren E-Autos künftig eine ihrer großen Annehmlichkeiten: das geräuschlose Fahren. Seit Juli 2019 ist für alle neu zertifizierten Elektroautos ein künstliches Fahrgeräusch vorgeschrieben. Bis 2021 sollen dann alle neu zugelassenen Fahrzeuge ein entsprechendes Warngeräusch von sich geben.
Eine entsprechende EU-Verordnung wurde bereits 2014 verabschiedet und seitdem mehrfach angepasst. Die Regelung betrifft ebenso Hybridautos, die rein elektrisch betrieben werden können und währenddessen kein Geräusch eines Verbrennungsmotors von sich geben.
Schon jetzt gibt es viele Elektroautos optional mit einem künstlichen Fahrgeräusch wie den Volkswagen e-Golf mit e-Sound. Verpflichtend ist das derzeit noch nicht. Die Option findet sich daher oft gegen Aufpreis in der Sonderausstattung und lässt sich bei vielen Autos beliebig ein- und ausschalten.
AVAS soll künftig die Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger im Straßenverkehr deutlich erhöhen. Deshalb gibt es zusätzliche Förderungen für den Erwerb des akustischen Warnsystems oder eines E-Autos mit AVAS vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Was ist das Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS)?
Das Acoustic Vehicle Alerting System ist ein künstliches Fahrgeräusch für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, das bei Geschwindigkeiten zwischen 0 und 20 km/h sowie beim Rückwärtsfahren erzeugt werden muss. Ein Standgeräusch wird also nicht gefordert. Oberhalb der festgelegten Grenze tritt das Abrollgeräusch der Reifen in den Vordergrund.
Der Geräuschpegel des AVAS soll denjenigen eines herkömmlichen Verbrenners nicht übersteigen. Zudem darf das System künftig nicht länger abschaltbar sein. Bislang war eine “Pausenfunktion” zulässig, wenn das akustische Warngeräusch nach jedem Neustart standardmäßig wieder aktiviert wurde.
Wie klingt ein Elektroauto mit AVAS?
Für den individuellen Elektro-Sound spielt der Wiedererkennungswert eine große Rolle. Daher arbeiten die Hersteller akribisch am marken- und modellspezifischen Sounddesign. Ein VW ID.3 soll eben auch am Geräusch als solcher zu erkennen sein, ähnlich aber dennoch anders klingen als ein e-Golf und sich deutlich von anderen Marken unterscheiden. Der ikonische Sound des ID.3 beim Anfahren und Abbremsen wurde von Volkswagen bereits präsentiert:
Genaue Vorschriften, wie das Warngeräusch klingen muss, gibt es nicht, allerdings einige Einschränkungen. Nicht erlaubt sind stark abstrakte oder Naturgeräusche. Stattdessen soll das System – zumindest der EU-Verordnung nach – einen Klang erzeugen, der dem eines Verbrennungsmotors ähnlich ist. In der Praxis ist das selten der Fall und die meisten Elektroautos verfügen über einen ikonischen futuristisch surrenden Klang. Das gefällt uns ohnehin besser, als ein Verbrenner-Imitat.
Darüber hinaus muss das Fahrgeräusch einen Rückschluss auf das Fahrverhalten des E-Autos zulassen. Das bedeutet, aus dem Geräusch muss erkennbar hervorgehen, ob das Fahrzeug beschleunigt, abbremst oder mit gleichbleibender Geschwindigkeit unterwegs ist.
Weitere Vorschriften zu den Frequenzen stellen sicher, dass auch Senioren mit schlechtem Gehör das Geräusch wahrnehmen können. Für Fans des lauten Sounds könnte es im Zuge des Elektroauto Tuning zukünftig auch entsprechende Geräusche geben.
Warum brauchen E-Autos AVAS?
Kritiker bemängeln, die EU-Verordnung bringe Elektroautos um einen Ihrer großen Vorteile: das geräuschlose Fahren. Gerade in Städten verpasse man die Chance, die Geräuschbelastung durch den Straßenverkehr drastisch zu senken. Weitere befürchten gar einen negativen Einfluss darauf, ob und wie schnell sich Elektroautos gegenüber Verbrennermodellen durchsetzen.
Dem gegenüber steht der Sicherheitsaspekt. Das Fahrgeräusch hat einen massiven Einfluss auf die Wahrnehmbarkeit von Autos und verringert dadurch Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern. Ein Elektroauto ohne künstliches Fahrgeräusch sei bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h erst bei einer Entfernung von 8 Metern durch das Abrollgeräusch der Reifen akustisch wahrnehmbar. Damit bleibt für den Fußgänger oder Radfahrer selbst bei geringer Geschwindigkeit lediglich eine Reaktionszeit von unter 1,5 Sekunden.
Das künstlich erzeugte Fahrgeräusch trägt zudem zur Barrierefreiheit des Straßenverkehrs bei und hilft Blinden sowie Sehbehinderten nicht nur dabei, Gefahren wahrzunehmen, sondern auch Infrastruktur in Form von Straßen als solche zu erkennen. Daher fordert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) ein verbindliches AVAS bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h und setzt sich weiterhin für verpflichtende Nachrüstungen ein.
Ab wann gilt die EU-Verordnung zum künstlichen Fahrgeräusch?
Alle seit Juli 2019 neu entwickelten Fahrzeugtypen, die rein elektrisch bewegt werden können, müssen bereits über das Acoustic Vehicle Alerting System verfügen. Ab Juli 2021 ist AVAS dann verpflichtend für alle Neuzulassungen. Eine Nachrüstverpflichtung für Fahrzeuge, die zu diesem Zeitpunkt bereits zugelassen waren, gibt es nicht.
Zukunft: Der Traum von ruhigen Städten
So ganz vom Tisch ist die Utopie der flüsterleisen Städte und des geräuscharmen Straßenverkehrs noch nicht. Zunächst ist die Mindestanforderung eines Geräuschpegels von 56 dB vergleichsweise gering und entspricht normaler Gesprächslautstärke.
Die größte Hoffnung bietet jedoch die Technik in Form von gerichtetem Schall. In Sachen E-Auto ist eine Kombination aus der heutigen Assistenzsystemen der Fußgänger- und Radfahrererkennung und einem zielgerichteten Warngeräusch denkbar. So würden Elektroautos das Fahrgeräusch oder andere akustische Signale direkt an erkannte Personen im Gefahrenbereich ausstrahlen, während das Fahrzeug für sonstige Passanten lautlos erscheint.