Mercedes EQE 2022 im Test: erster Fahreindruck des EQE 500 & EQE 350+
13. April 2022 von Timon Werner

Mit dem EQE stellt Mercedes-Benz der E-Klasse ein rein elektrisches Pendant gegenüber. Wir haben den EQE anderthalb Stunden auf der Autobahn auf die Probe gestellt!
Der EQE steht zur E-Klasse in etwa so wie der EQS zur S-Klasse. Das Prinzip erscheint ähnlich, doch im Angesicht der Fahrzeuge trennen E-Auto und Verbrenner Welten.
Doch eines haben alle gemeinsam: Es sind Limousinen. Königsdisziplin dieser Bauform ist nach wie vor der Langstrecken-Komfort. Daher verlassen wir in Frankfurt direkt die von Mercedes vorgeschlagene Teststrecke und begeben uns gen Autobahn. Wir wollen wissen, wie der EQE beschleunigt, sich bei Höchstgeschwindigkeit verhält und wie sich das Abrufen der Leistung auf den Verbrauch auswirkt.
Immerhin versprechen die Rahmendaten des Mercedes-Benz EQE 500 viel Sportlichkeit. Dank Dual-Motor an Vorder- und Hinterachse verfügt die Limousine über Allradantrieb. Die Systemleistung liegt bei bis zu 408 PS – beste Voraussetzungen für die Autobahn.
Erste Probleme mit der Sprachsteuerung
Nur die voreingestellte Navigation sträubt sich noch gegen das Verlassen der Route. Zwar versteht sie jedes einzelne Wort der Sprachbefehle optimal, stellt aber in ausführlicher Erklärung unsere Autorität in Frage und fordert eine Authentifizierung für den Mercedes-Testwagen.
Ein Problem, das man im eigenen Mercedes EQE vermutlich nicht hat. Wir behelfen uns mit dem sturen Ignorieren der Sprachansagen.
Wie auf Wolken im EQE
Positiv fällt schon nach kurzer Zeit die exzellente Luftfederung des Mercedes EQE auf, die in der Stadt, auf der Landstraße und Autobahn sämtliche Bodenunebenheiten gekonnt ausgleicht, ohne jemals weich oder schwammig zu wirken.
Derweil sorgt das umfangreiche digitale Cockpit für einen sauberen Informationsfluss. Der EQE greift tief in die Trickkiste und nutzt nicht nur Navigation mittels Augmented Reality Kamera, sondern verfügt auch über ein riesiges Head-Up Display. Klar ist, die große Bildschirmlandschaft, die sich über das gesamte Armaturenbrett erstreckt, ist nicht nur Spielerei, sondern wird sinnvoll genutzt.
Aufdrehen auf der Autobahn
Nach den ersten fünf Kilometern zeigt uns der Mercedes-Benz EQE einen Stromverbrauch von rund 30 kWh auf 100 Kilometer an. Damit bliebe eine Reichweite von exakt 300 Kilometern aus der 90 kWh Batterie übrig.
Zeit es auf die Spitze zu treiben: Im Sport-Modus wird das Fahrwerk spürbar knackiger, verliert aber nie seinen Komfort.
Anschließend zieht der EQE 500 auf seine Höchstgeschwindigkeit hoch. Das tut er ebenso unbeeindruckt wie schnell mit starkem Durchzug von 100 auf 215 km/h. Genauso tut es – wie zu erwarten – der Stromverbrauch: Im Maximum erreichen wir 56,6 kWh/100km. Wer es auf der Autobahn also voll ausreizt, schafft bloß noch rund 160 Kilometer aus der vollen Ladung.
Einmal mehr beeindruckt dabei die Luftfederung selbst bei Höchstgeschwindigkeit mit ihrer Dynamik und dem Komfort. Jederzeit vermittelt sie ein hohes Sicherheitsgefühl. Das geringe Geräuschniveau untermauert diesen Eindruck. Dabei kommt dem EQE wie auch dem EQS die aerodynamische Form mit geringem Luftwiderstandsbeiwert zugute.
Dass der EQE nämlich auch effizient kann, deutet sich bei der Rekuperationsleistung bereits an. Bis zu 20 kWh/100km gewinnen wir an Bremsenergie zurück, wenn wir den Fuß vom rechten Pedal nehmen.
Stark in der Beschleunigung, effizient beim Cruisen
Bevor wir die Rückreise antreten, setzen wir zum Sprint an. Dabei leistet der Allradantrieb 4MATIC ganze Arbeit. In nur 4,4 Sekunden erreicht unser Testwagen die 100 km/h Grenze. Das ist ganze zwei Sekunden schneller als der leistungsschwächere EQE 350+ mit 292 PS.
Anschließend gönnen wir der Batterie und uns etwas Ruhe. Wir legen den Rest der Strecke bei eingeschaltetem, adaptivem Tempomaten mit rund 110 km/h zurück, um zu sehen, wie langstreckentauglich der EQE tatsächlich ist. Dabei tun die zahlreichen Assistenzsysteme mit Abstandssensoren und Spurhalteassistenz ihr Übriges und erlauben Fahrenden, sich entspannt zurück zu lehnen.
Unser Realverbrauch pendelt sich schließlich bei 21,1 kWh/100km ein, was bei voller Ladung einer Reichweite von bis zu 426 Kilometern entspricht.
Gleiche Optik, andere Farbe
Mit dem EQE 350+ steht eine weitere Version für uns in Spektralblau (Aufpreis 1.071 €) zum Umstieg bereit. Dabei entsteht ein vollkommen anderer Eindruck. Obwohl EQE 350+ und EQE 500 von außen exakt gleich aussehen, gefällt uns das Graphitgrau magno (Aufpreis 3.332 €) wesentlich besser, weil es sportlicher daherkommt und die dunklen Zierelemente harmonischer einbindet.
Ohnehin zieht der EQE eher durch seine ungewöhnliche, aerodynamische Form die Blicke auf sich als durch sportliche Attitüde.
Der EQE im Chauffeurs-Betrieb
Im normalen Fahrbetrieb vermisst man die Mehrleistung des EQE 500 gegenüber der schwächeren Version mit 292 PS kaum, die ebenso mit reichlich Drehmoment überzeugen kann. Gleichzeitig bleiben aber auch die Reichweiten-Vorteile gering: Nur knapp 50 Kilometer mehr soll der EQE 350+ schaffen.
Vorausgesetzt der Fahrer oder die Fahrerin fährt effizienter als wir es gerade noch auf der Autobahn taten. Daher nehmen wir hinten Platz und lassen uns chauffieren, wie es sich in einer Limousine gehört.
Auch auf der Rückbank leistet die Federung hervorragende Arbeit, obwohl sich die Rücksitze beinahe direkt über der Hinterachse befinden.
Platzprobleme im Vergleich zur E-Klasse
Weniger gefällig ist die im Vergleich zur E-Klasse sehr aufrechte Sitzposition. Die Neigung der Rückenlehnen fällt in der E-Klasse gemütlicher aus. Ein Nachteil der Batterie offenbart sich beim Versuch die Füße unter den Vordersitz zu stecken: Hier bleibt wenig Luft. Für die Kopffreiheit fällt das Fazit ähnlich aus. Bei geöffneter Blende des Panoramadaches ist der Kopfraum solide, an die Großzügigkeit anderer Mercedes-Limousinen reicht es aber nicht heran.
Trotzdem erweist sich der Fond des Mercedes EQE insgesamt als komfortabel und auch in Sachen Kniefreiheit erfahren Mitfahrende hinten keinerlei Einschränkungen.
Unbeeindruckt vom Standarddisplay
In dieser Testwagen-Version kommen statt des zuvor getesteten Hyperscreens, der sich über das gesamte Cockpit erstreckt, nur ein zentraler 11,9 Zoll Touchscreen und ein 10,3 Zoll Digitalinstrument zum Einsatz.
Wie schnell man sich doch an den Luxus gewöhnt: Trotz der durchaus großen Bildschirmdiagonalen wirken diese Displays im Innenraum des EQE nun klein.
Dafür fällt der Blick stärker auf die ansprechend verarbeiteten und haptisch anschmiegsamen Materialien des Innenraums. Bei den Funktionen gibt es keine Abstriche. Hier läuft das gleiche MBUX-System mit intuitiver Bedienung, das auch den Hyperscreen steuert.
Gelungener Sidekick zum EQS
Letztlich überzeugt der Mercedes-Benz EQE, der als 350+ ab 70.627 Euro startet, im ersten Fahreindruck. Er trifft genau die Erwartungen, die er als kleiner Bruder des EQS zu erfüllen hat.
Wie auch der EQS ist der EQE leistungsstark, aber effizient, vollgestopft mit moderner Technik und einem hochwertigen Ambiente. Beide grenzen sich spürbar von den Verbrenner-Modellen ab und sind im Fahrkomfort noch besser. Nur beim Platzangebot und der Sitzposition im Fond kauft die E-Klasse dem EQE den Schneid ab.