Lucid Air Testbericht
Der Lucid Air soll das Segment der elektrisch angetriebenen Luxus-Limousinen erobern. Bereits die nackten Zahlen, ob Reichweite oder Ladegeschwindigkeit, verdeutlichen, dass es die Kalifornier ernst meinen.
Was gut ist
Was nicht so gut ist
Lucid Air: Was würden Sie gerne als Nächstes lesen?
Bewertung des Lucid Air
Die meiste Power, die schnellste Ladeleistung, die größte Reichweite – der US-amerikanische Autohersteller Lucid geizt nicht mit Superlativen. Vielleicht liegt es auch daran, dass Firmenchef Peter Rawlinson einst bei Tesla tätig gewesen ist. Wer unter jemanden wie Elon Musk gearbeitet hat, der will hoch hinaus – keine Frage.
Und so könnte das erste Modell der Kalifornier, der Lucid Air, der Konkurrenz das Fürchten lehren. Die Voraussetzungen dafür stehen nicht schlecht: Je nach Ausstattung warten 1.111 PS Leistung und 883 Kilometer Reichweite (WLTP). Eine klare Kampfansage an das Tesla Model S Plaid. Denn dort sieht sich Lucid: in der (schnellen) Luxusklasse.
Reservierungen zwischen 300 und 7.000 Euro
Wer sich schon jetzt ein Modell sichern will, kann das auf der Lucid-Webseite tun. Reservierungen sind für Deutschland möglich und kosten je nach Modell zwischen 300 (Air Pure) und 7.000 Euro (Air Dream Edition) Anzahlung.
Ein eigenes Händlernetz besitzt Lucid nicht, der Vertrieb findet ausschließlich über Online-Kanäle statt. Wer die Marke trotzdem einmal in natura erleben will, der hat in München dazu die Chance: Dort eröffnete 2020 der erste deutsche Showroom der Marke.
Dezente, aber schicke Optik
So eindrucksvoll die Daten des Lucid Air sind, so zurückhaltend gibt sich die Optik. Das Design lässt sich als klassisch-elegant mit modernen Einschlägen beschreiben. Die Elektro-Limousine ist mit vier Türen ausgestattet, 4,97 Meter lang, 1,45 Meter hoch und hat einen riesigen Radstand von 2,96 Metern – da freut man sich speziell auf den hinteren Sitzplätzen.
Die Front wirkt schmal und etwas grimmig dreinschauend, insgesamt macht der Lucid Air aber einen sehr selbstbewussten und durchaus erhabenen Eindruck. Das Fahrzeug zeigt, dass es einiges zu bieten hat. Darunter fallen unter anderem Micro-Linsen, die als Scheinwerfer fungieren und das Licht je nach Fahrsituation anpassen.
Die ausgestellten Radhäuser, die gewölbte Motorhaube und schmale Spiegel sowie eine coupéhafte Dachlinie kennen wir von anderen Modellen – man muss eben nicht immer das gesamte Rad neu erfinden, um aus der Masse hervorzustechen.
Ein Hingucker ist sicher das große Panoramadach, das ohne Unterbrechung direkt in die Windschutzscheibe übergeht. Das etwas gewöhnungsbedürftige Stummelheck ziert ein schmales LED-Leuchtenband.
Wie viel kostet der Lucid Air?
Das Lucid Air Modell hat eine UVP von 109.000 € bis 218.000 €.
Für den Lucid Air liegt noch keine Versicherungseinstufung vor. Hier lohnt ein Blick auf den Tesla Model S: Bereits in der Haftpflichtversicherung fallen die Beiträge mit der Typklasse 22 relativ hoch aus. Auch Teil- (Typklasse 26 bzw. 29) und Vollkaskoversicherung (Typklasse 29 bzw. 31) sind teuer.
Reichweite und Ladedauer
883 Kilometer Reichweite (WLTP, kombiniert) – das ist eine echte Ansage. Selbst Tesla kann hier nur den Hut ziehen, denn das Model S kommt maximal 634 Kilometer weit, da fehlen ganze 249 Kilometer – sehr beeindruckend.
Wer in den Genuss der rekordverdächtigen Reichweite kommen will, der muss sich für den Air Dream Edition Range entscheiden. Und außerdem für die 19-Zoll-Felgen, denn nur mit diesen Schlappen schafft die E-Limousine den ermittelten Wert. Wer sich für die größeren 21-Zöller entscheidet, verzichtet zugunsten der Optik auf 55 Kilometer Reichweite und kommt maximal noch 828 Kilometer weit.
Der Air Dream Edition schafft in der "Performance"-Version 861 Kilometer auf 19-Zöllern, bei 21-Zoll-Bereifung sinkt der Wert auf 799 Kilometer.
Beim Modell Air Grand Touring stehen drei Reifengrößen zur Verfügung: 19, 20 oder 21 Zoll. Mit 19 Zoll kommt dieses Modell 839 Kilometer weit, mit 20 Zoll sind 792 Kilometer möglich und mit 21 Zoll rollt der Lucid bis zu 783 Kilometer weit.
Die offiziellen WLTP-Reichweiten für die Modelle Air Touring und Air Pure sind noch nicht bekannt. Lucid prognostiziert 653 Kilometer.
Spitzenwerte in verschiedenen Kategorien
Die hohe Reichweiten des Lucid Air haben natürlich ihren Grund: nämlich eine relativ große Hochvoltbatterie. Die Kapazität liegt bei bis zu 118 kWh (brutto) – auch dies ist ein Wert, der Maßstäbe setzt. Genauso wie das 900-Volt-Ladesystem und der cw-Wert von 0,21.
Zuhause an einer Wallbox oder an einer öffentlichen Ladestation können Sie mit bis zu 22 kW (Wechselstrom) laden. Mit Gleichstrom geht's natürlich schneller: Lucid verspricht eine Spitzenladeleistung von 300 kW. So sollen Sie in 15 Minuten Strom für 400 Kilometer Reichweite nachladen können.
Die Normverbräuche liegen – entsprechend den hohen Reichweiten – auf einem niedrigen Niveau. Für die schwächeren Modelle Air Pure und Air Touring liegen noch keine Daten vor. Der Air Grand Touring weist mit 14,9 kWh/100 km (19-Zoll-Bereifung) bisher den niedrigsten bekannten Verbrauch auf. Mit 20 Zoll erhöht sich der Wert auf 15,9 kWh/100 km, mit 21 Zoll auf 16,1 kWh pro 100 Kilometer.
Der Air Dream Edition in der Range-Version kommt mit 19-Zöllern auf 15,0 kWh/1000 km, mit 21-Zoll-Bereifung sind es 16,0 kWh/100 km. Bleibt noch die Performance-Variante: Sie erreicht mit 15,3 kWh/100 km (19 Zoll) bzw. 16,6 kWh/h (21 Zoll) die höchsten Verbräuche.
Leistung und Fahrkomfort
Wer will, stößt mit dem Lucid Air in ungeahnte Sphären der Längsbeschleunigung vor. Entscheiden Sie sich für den 1.111 PS starken Air Dream Edition Performance, vergehen gerade einmal 2,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Den Weg in die Achterbahn können Sie sich damit sparen. Wie gewohnt bei Elektroautos liegt das Drehmoment sofort an – der E-Antrieb wirkt wie ein Katapult. Der permanente Allradantrieb tut sein Übriges. Erst bei 270 km/h endet der Vortrieb.
Doch es geht auch beschaulicher: Das Einstiegsmodell hört auf den Namen Air Pure und liefert 480 PS an die Hinterachse – die Version lässt sich auch mit zwei Motoren und somit mit Allrad konfigurieren.
Über die 600-PS-Marke springt der allradgetriebene Air Touring (620 PS), während der Air Grand Touring bereits 819 PS leistet. Die Krönung des Ganzen bildet der bereits angesprochene Air Dream Edition – wählen Sie hier zwischen der Range-Version mit 933 PS und der Performance-Variante mit 1.111 PS.
Stark und kompakt
Stolz ist Lucid nicht nur auf seine Leistungsangaben, sondern auch auf seinen kompakten Elektromotor. Er soll der weltweit leistungsstärkste Motor in seiner Größen- und Gewichtsklasse sein. Bei einem Gewicht von nur 74 Kilogramm liefere jede Einheit bis zu 670 PS, so der Hersteller.
Für hohen Fahrkomfort sorgt ein Luftfahrwerk, für Sicherheit das sogenannte Fahrassistenzsystem DreamDrive. Letzteres greift auf bis zu 32 Sensoren zurück, ob Kamera-, Radar-, LIDAR- oder Ultraschalltechnologie.
Platz und Praxistauglichkeit
Bereits die Fahrzeuglänge von knapp fünf Metern verspricht ein großzügiges Raumangebot. Hinzu kommt der Radstand von 2,96 Metern – ein Wert, den nur wenige erreichen. So sitzt man nicht nur vorne bequem, sondern auch hinten mangelt es nicht an Kopf- und Beinfreiheit.
Die maximale Beinfreiheit vorne beträgt 1.153 mm, hinten stehen 910 (Batterie mit großer Reichweite) bzw. 951 mm (Batterie mit Standard-Reichweite) zur Verfügung. Die Kopffreiheit beläuft sich vorne auf 1.005 mm, hinten sind es noch 973 mm.
Ein weitere Größenangabe, die aufhorchen lässt, ist die des Frunks (Kofferraum unter der Fronthaube). Während einige Hersteller hier rein gar nichts anbieten können, sind es beim Lucid Air ganze 283 Liter. So groß ist bei manchem Kleinwagen der ganze Kofferraum. Insgesamt stehen mit Frunk und dem normalen Kofferraum (627 Liter) somit insgesamt 910 Liter Stauraum zur Verfügung. Congrats!
Innenraum, Infotainment und Ausstattung
Auf Luxus muss man im Inneren des Lucid Air nicht verzichten. Die Sitze sind stark konturiert und vorne von einer breiten Mittelkonsole getrennt. Der Bildschirm in der Mitte ist vertikal angebracht und stellt Navigation und die Steuerung des Infotainmentsystems dar.
21 Lautsprecher sind im Innenraum verbaut und vor Fahrer:innen breitet sich ein 34 Zoll großes Display aus, das leicht gebogen ist. Sprachassistenz (Alexa-kompatibel) und Smartphone-Steuerung (Apple CarPlay und Android Auto) sind genauso verfügbar wie Over-the-Air-Updates, die das Fahrzeug ohne aufwendigen Werkstattbesuch auf dem neuesten Stand halten.
Per App können Sie Fahrten planen, Ladeorte entlang der Route suchen oder die Temperatur voreinstellen. Auch wenn Sie nicht in der Nähe sind, behalten Sie per Smartphone Ihr Fahrzeug im Blick.
Komfortsteigerung durch Einzelsitze
Wer es sich im Fond des Lucid Air bequem machen will, der hat die Wahl zwischen zwei Sitzalternativen. Es steht die klassische Rückbank ohne Mittelkonsole zur Wahl oder man entscheidet sich für die Executive-Liege-Einzelsitze, die dann von einer Mittelkonsole getrennt sind. Ein Steuerungs-Tablet ist dann mittig eingelassen.
Sicherheit und Schutz
Der Lucid Air stellte sich bereits dem Urteil der NCAP-Crashtester und enttäuschte nicht. Fünf Sterne und damit das bestmögliche Ergebnis holte die Elektro-Limousine. Angesichts des Premium-Anspruchs wäre ein anderes Ergebnis eigentlich auch nicht denkbar gewesen.
Beim Schutz von Erwachsenen erreichte der Air 90 Prozent der Gesamtpunktzahl. Die meisten Abzüge musste das Modell beim Frontalaufprall hinnehmen.
Auf 91 Prozent kam die Limousine bei der Sicherheit von Kindern. Bei den Aufpralltests für 6- und 10-jährige Kinder gab es die volle Punktzahl, ebenso bei der Einbauprüfung von Kinderrückhaltesystemen. Punktabzüge musste der Air bei den Sicherheitsmerkmalen hinnehmen, da er nur auf den äußeren Sitzen im Fond mit Isofix und i-Size ausgestattet ist.
78 Prozent holte der Lucid Air beim Schutz von verletzlichen Verkehrsteilnehmer:innen, wobei das Notbremssystem für Fußgänger:innen besser abschnitt als das für Radfahrer:innen. In den Aufpralltests stellten sich das untere Ende der Windschutzscheibe und die steifen Säulen als kritische Punkte heraus.
Da der Lucid Air ein recht neues Fahrzeug ist und über moderne Assistenzsysteme verfügt, konnte das Modell vorzeigbare 84 Prozent der Gesamtpunktzahl bei der Sicherheitsunterstützung holen. Egal ob Geschwindigkeitsassistenz, Insassenzustandsüberwachung, Spurassistent oder Notbremssystem (AEB) Fahrzeug-Fahrzeug – überall fiel das Ergebnis "gut" aus.
Zuverlässigkeit und Probleme
Da es sich bei Lucid um ein noch recht junges Unternehmen handelt und der Air das erste Modell der Marke ist, gibt es bisher keine Langzeiterfahrungen.
Jedoch lohnt sich ein Blick über den Großen Teich – in den USA rollt bereits eine gewisse Zahl an Fahrzeugen auf den Straßen. Und dort gab es zwei Rückrufe. Der erste betraf eine unsachgemäß montierte Aufhängung des Lieferanten. Der zweite bezog sich auf Probleme mit der Verkabelung, wodurch Bildschirme ausfallen und wichtige Informationen möglicherweise nicht angezeigt werden konnten.