Chinesische E-Auto Hersteller wollen Ihren Anteil am deutschen Neuwagenmarkt erhöhen

28. Juli 2023 von

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Preiswert, innovativ und leistungsstark – dank dieser Eigenschaften nehmen chinesische Automobilhersteller derzeit an Fahrt auf. Noch bis vor einigen Monaten wagte es niemand, daran zu denken, dass die Newcomer aus Fernost den europäischen Markt erobern könnten. Aktuelle Zahlen beweisen nun aber das Gegenteil.

Chinesische Marken dominieren bereits den schnell wachsenden Markt für Elektrofahrzeuge mit einem Anteil von 60 Prozent am weltweiten Absatz. Darüber hinaus ist China inzwischen der größte Exporteur von Autos und hat damit Japan überholt.

Anfang des Jahres waren die meisten europäischen Führungskräfte der Automobilindustrie skeptisch, was die kurzfristige Bedrohung durch chinesische Konkurrenten anging; die Shanghai Auto Show im April änderte das schnell. Viele der europäischen Chefs, die die Messe besuchten, überzeugten sich von der Qualität und dem Design der dort ausgestellten Elektro-Autos.

Auch die deutschen Käufer:innen traten den chinesischen Herstellern im Vergleich zu 2022 offener gegenüber, das zeigt eine carwow-Umfrage mit insgesamt 1129 Teilnehmer:innen, die einmal im Dezember 2022 und dann nochmals im Mai 2023 durchgeführt wurde. In diesem relativ kurzen Zeitraum stieg der Anteil der Neuwagenkäufer:innen, die chinesische E-Autos in Betracht ziehen, von 30 Prozent auf aktuell 42 Prozent.

Vor allem der Kaufpreis ist hier ausschlaggebend. So assoziieren 27 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis mit chinesischen E-Auto-Herstellern. Überdies gaben 23 Prozent der Befragten an, mit den Newcomern aus Fernost wettbewerbsfähigere Angebote und Rabatte zu verbinden.

Dennoch würden noch immer mehr als die Hälfte der Käufer:innen keinen chinesischen Händler bei ihrer Kaufentscheidung in Betracht ziehen. Die Gründe dafür sind vor allem politisch bedingt oder auf die noch bestehende Unvertrautheit mit den Marken zurückzuführen.

Deutsche Autohändler betrachten diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen.

So gaben laut unserer carwow-Umfrage bei Autohändlern zwar 42 Prozent der Händler an, dass sie davon ausgehen, dass chinesische Hersteller im nächsten Jahr bis zu 10 Prozent der Autoverkäufe in Deutschland übernehmen würden, während über die Hälfte der Händler auch glaubt, dass sie in den nächsten fünf Jahren einen Marktanteil von 11-30 Prozent erreichen werden.

Allerdings gab auch nur jeder vierte Händler (25 Prozent) an, sich über die chinesischen Automobilhersteller und ihre Pläne für den deutschen Markt gut informiert zu fühlen.

Zwar sind die bisher gestarteten Marken BYD, GreatWall Motor, Nio und Co noch ganz am Anfang ihrer Absatz-Ambitionen, dafür zeigen Marken wie MG und Polestar bereits starke Fortschritte und beeindruckende Absatzzahlen. So konnte die ehemals britische Automarke MG im vergangenen Jahr ein Absatzplus von fast 500 Prozent im Vergleich zum Vorjahr generieren.

Mit den über 150.000 zugelassenen Fahrzeugen 2022 sind sie somit schon auf einer Stufe mit mehreren, bereits fest in der Automobilbranche etablierten, Exportmarken. Vor allem im Bereich der E-Mobilität ist ihr Marktanteil signifikant gestiegen.

Wie werden die chinesischen E-Auto-Hersteller weiter vorgehen?

1. Händlerbeziehungen nutzen, um sich zu etablieren
Nach Ansicht von carwow deutet alles darauf hin, dass die meisten chinesischen Hersteller, die den deutschen Neuwagenmarkt ins Visier nehmen, in Partnerschaft mit deutschen Händlern agieren werden, entweder durch den Aufbau neuer Franchise Netze oder durch ein Agenturmodell.

Trotz weit verbreiteter Spekulationen strebt derzeit nur eine kleine Minderheit einen reinen Direktvertrieb an, wie es Marken wie Tesla getan haben.

Die Motivation für diese Art der Zusammenarbeit mit Händlern ergibt sich aus der Erkenntnis, dass der Verkaufserfolg vom Vertrauen der Verbraucher:innen abhängt. Da die chinesischen OEMs noch kein oder nur ein geringes Markenprofil haben, wollen sie die Beziehungen und den Ruf der Händler nutzen, um etwaige Bedenken hinsichtlich des Vertrauens zu zerstreuen.

Ein Paradebeispiel für diesen Ansatz ist BYD: Durch den Vertrieb der Wagen über die Hedin Mobility Group aus Schweden plant BYD die E-Mobilität maßgebend mitzuformen.

Dank ausgewählter, großer und in Deutschland etablierter Handelsgruppen soll vorerst einmal der Markt von großen Städten bespielt werden. Neben Stern Auto und Senger konnten insgesamt sieben Vertriebspartner gewonnen werden, deren Seriosität und Bekanntheit nun auch auf die eigene Marke projiziert werden soll.

Da immer mehr chinesische Marken in den kommenden Monaten in den deutschen Markt eintreten, werden wahrscheinlich ähnliche Strategien angewandt werden.

2. Erst mieten, dann kaufen
Während sich einige europäische Automobilhersteller aus dem deutschen Mietmarkt zurückgezogen haben – beschleunigt durch Lieferengpässe, die zu einer Verlagerung hin zu profitableren Einzelhandelsverkäufen geführt haben – sehen chinesische Unternehmen den Mietmarkt als Mittel zur Steigerung des Volumens und der Bekanntheit der Marke.

Aber das ist nur ein Teil der Motivation.Mietverkäufe bieten ihnen auch die Möglichkeit, die Sichtbarkeit ihrer Marke zu erhöhen und sogar Technologien im Fahrzeug unter realen Bedingungen zu testen.

Durch den Eintritt in den Flottenmarkt können sie schnell Feedback einholen und Technologien durch “Over-the-Air”-Updates verfeinern – eine Strategie, die von chinesischen Marken im Bereich der Unterhaltungselektronik häufig angewendet wird.

3. Frühzeitig investieren, um die Kosten im Griff zu behalten
Chinesische Hersteller sind westlichen Marken in Bezug auf die Integrität der Lieferkette für Elektrofahrzeuge um Jahre voraus und können daher qualitativ hochwertige Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten. BYD investierte bereits 2011 in den Lithium-Abbau und konnte so schneller Größenvorteile erzielen und die Herstellungskosten deutlich senken.

Es dauert elf Jahre, um eine Lithium-Mine zu errichten. Jeder Autohersteller, der sich nicht bereits mit dieser wichtigen Komponente für Elektroauto-Batterien versorgt hat, hinkt also hinterher.

Und da die Batterie eines Elektroautos bis zu 40 Prozent der Kosten ausmachen kann, ist die Sicherung einer stabilen Lithium-Versorgung für eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung von entscheidender Bedeutung.

4. Entwicklung eines Verständnisses für die Motivationen der deutschen Verbraucher:innen
Wie die koreanischen Marken bestätigen können, braucht es aber auch Zeit, um die deutschen Verbraucher:innen zu überzeugen und nachhaltig eine Marke am Markt zu etablieren. Grundvoraussetzung bleibt aber auch eine erschwingliche Preisgestaltung, um Fuß zu fassen, wie unsere Kundenbefragung gezeigt hat.

Während einige chinesische Marken derzeit das preisgünstige Segment ihres Heimatmarktes bedienen, streben sie den Eintritt in den deutschen Markt mit wettbewerbsfähigen Preisen an, die mit denen von Marken des unteren Preissegments vergleichbar sind. In der Anfangsphase müssen sie sich jedoch an die Marktbedingungen und Kundenanforderungen anpassen.

Die britische Marke MG, deren Markenrechte nach China verkauft wurden, hat gezeigt, wie man mit einer attraktiven Preisgestaltung deutsche Autokäufer:innen gewinnen und sich am Markt etablieren kann.

Gerade in Deutschland herrscht eine starke Nachfrage nach erschwinglichen E-Fahrzeugen, und chinesische Autohersteller sind in der Lage, E-Fahrzeuge zu Preisen unter 10.000 Euro anzubieten. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die chinesischen Marken dieser Nachfrage zugunsten höherer Gewinnspannen widerstehen oder ihr nachgeben werden.

Was bedeutet das nun für uns? Angesichts der sich abzeichnenden Deadline 2030 für Verbrennerantriebe sind chinesische Autohersteller, die ausschließlich Elektrofahrzeuge herstellen, im Vorteil.

Viele alteingesessene Marken befinden sich noch in der Übergangsphase, in der sie die Produktion von Fahrzeugen mit Diesel- und Benzinmotoren einstellen und die Produktion von Elektrofahrzeugen hochfahren, aber sie haben noch nicht die Größenvorteile erreicht, die sie benötigen, um wettbewerbsfähig zu sein.

Es ist klar, dass die chinesischen Autohersteller über die Produkte und Ressourcen verfügen, um in Deutschland erfolgreich zu sein. Unsere Verbraucherstudie zeigt jedoch, dass sie sich – unabhängig davon, mit welchen Strategien sie auf den Markt kommen – darauf konzentrieren müssen, eine starke Marke und ein Vertriebsnetz aufzubauen, um das Vertrauen der deutschen Verbraucher:innen für sich gewinnen zu können.

Dies alles wird Zeit und Engagement erfordern.

Ob sie dabei ähnlich erfolgreich sein werden wie ihre koreanischen Konkurrenten in der Vergangenheit oder die deutschen Autohersteller Mittel und Wege finden, ihren heimischen Absatzmarkt zu verteidigen, wird sich wohl innerhalb der nächsten 5-7 Jahre entscheiden.