Dein Weg zum neuen Auto
Es klang nach einem Traum für alle Oldtimer-Fans: Ein Mercedes S124 Kombi – die Krönung der Ingenieurskunst der 90er, ein Auto, das angeblich „für die Ewigkeit gebaut“ wurde. Neupreis damals: rund 100.000 Mark.
Heute, Jahrzehnte später, habe ich mir diesen Klassiker für 11.500 Euro gegönnt – wie es dazu kam, kannst du hier im ersten Teil nachlesen. Jedenfalls hatte ich die Hoffnung, ein Stück automobile Perfektion zu besitzen. Was kann da schon schiefgehen? Nun ja… so ziemlich alles.
Die Illusion vom unkaputtbaren Benz

Jeder Mercedes-Fan kennt den Spruch: „Ein W124 läuft ewig.“ Klingt gut – bis man selbst unterm Auto liegt.
Schon beim ersten Check in der Werkstatt war klar: Dieser Wagen hätte beim TÜV keine zwei Minuten überlebt. Rost an den Wagenheberaufnahmen, durchgefressene Bleche am Unterboden, löchrige Stellen über dem Differential – das volle Programm. Der Unterbodenschutz war längst rissig, Wasser hatte sich über Jahre seinen Weg gebahnt, und das „Ewigkeitsmaterial“ färbte sich fröhlich rostrot.

„Die Karosserien waren früher haltbarer“, sagt mein Schrauber, „aber Rost war schon damals ihr Feind.“ Kein Wunder: Wo zwei Bleche aufeinandertreffen, sammelt sich Feuchtigkeit – und der Rest ist Geschichte. Dass Mercedes damals mit Liebe zum Detail gearbeitet hat, steht außer Frage. Aber Liebe allein hält kein Blech am Leben.
Die Hinterachse muss raus

Schnell war klar: Wenn wir das ernsthaft machen wollen, muss die Hinterachse raus.
Nur so lässt sich ordentlich schweißen. Und wenn man schon dabei ist, kann man auch gleich die Leitungen kontrollieren – Hydraulik, Kraftstoff, Bremse. Leider auch „ein bisschen angegammelt“. Also: alles raus, alles sauber machen, alles wieder einbauen.
„Vom Prinzip her nicht kompliziert“, sagte der Mechaniker. „Nur zeitaufwendig.“ Und teuer. Denn die Hydraulikleitungen sind nicht mehr lieferbar. Wenn die wirklich durch sind – gute Nacht. Aber was soll’s – ein echter Klassiker verdient eben Zuwendung. Und Geduld.
Kleine Mäuse, großes Drama

Dann kam die nächste bittere Nachricht: Offenbar hatten sich im Innenraum des Kombis Mäuse eingenistet. Und die hatten ganze Arbeit geleistet – nämlich die Unterdruckleitungen der Zentralverriegelung durchgekaut. Mercedes hatte damals noch ein pneumatisches System verbaut, das Türen per Luftdruck öffnet und schließt. Hightech der 80er, pure Verzweiflung 2025.
Der Geruch im Innenraum? Eine Mischung aus Febreze und Bauernhof. Selbst nach mehreren Flaschen Duftspray lag ein feiner Mäuseduft in der Luft – die Art, die sich in die Seele des Autos brennt. Und weil das noch nicht genug war, hatte auch die Heckscheibenwischer-Leitung ein Leck. Das Wasser lief fröhlich in den Innenraum.
Innen hui – aber nicht ganz

Optisch sah der Innenraum auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus. Die Sitze – noch erstaunlich fest, das Leder anständig. Klar, ein paar Verkleidungsteile waren locker, aber das ist bei 30 Jahre alten Autos fast schon Folklore.
Ein Sattler sollte das richten, indem er das brüchige Kunstleder wieder ordentlich verklebt. Nur: Auch das kostet wieder Geld. Und bei Mercedes ist selbst ein kleines Zierteil gefühlt teurer als ein gebrauchtes iPhone. Immerhin, die Verarbeitung ist top – die Sitze haben über 200.000 Kilometer auf dem Buckel und wirken immer noch ehrlicher als so mancher moderne Alcantara-Sitz nach drei Jahren Leasing.

Lediglich das dünne Holzdekor in der Mittelkonsole zeigt Risse. Aber das bleibt erstmal so – Patina gehört schließlich zum Charme.
Der Kampf mit der Technik

Die Elektrik ist beim alten Benz ein eigenes Kapitel. Der Heckwischer tat nur noch in einer Geschwindigkeit seinen Dienst, das Schiebedach hatte Zahnausfall. Der winzige Kunststoff-Zahnkranz, der die Mechanik antreibt, war pulverisiert – eine Alterskrankheit. Ersatz kostet bei Mercedes über 1.000 Euro, doch zum Glück gibt’s Reparatursätze für ein Zehntel. Ein Lichtblick in einem Meer aus Rechnungen.
Und ja, die Ersatzteilpreise sind ein eigenes Drama. Früher konnte man alte Mercedes günstig am Leben halten. Heute? „Wenn du mal was unter 1.000 Euro bekommst, darfst du dich freuen“, sagt mein Mechaniker trocken. Seit Corona haben sich die Preise fast verdoppelt. Die Qualität der Neuteile? Oft schlechter als die alten. Deshalb wird heute wieder repariert und restauriert statt getauscht – Nachhaltigkeit aus purer Verzweiflung.
Die Bremsen, das Öl – und der lange Weg zum TÜV

Auch technisch war einiges liegen geblieben. Die Bremsflüssigkeit sah aus wie alter Tee – kein gutes Zeichen. Sie zieht Wasser, das dann in den Kolben Rost verursacht. Wenn man dann das erste Mal bremst, schleift der Rost über die Dichtungen. Ergebnis: Undichtigkeit. Also Bremsflüssigkeit spülen, neue Scheiben und Beläge drauf. Dazu ein Getriebeservice, weil die Automatik „nachdenken musste“, bevor sie den Gang wechselte. Mit neuer Flüssigkeit läuft’s wieder geschmeidiger.
Unterm Strich summieren sich die Stunden: Zwei Wochen Arbeit bislang – ohne jeden Tag dabei zu sein. Jetzt kommen vier Wochen Schweißarbeiten. Wenn alles gut läuft. Aber wie das so ist: Kaum spricht man es aus, platzen die Hydraulikleitungen wirklich. Und damit ist klar: TÜV? Noch lange nicht.
Die harte Wahrheit

Was bleibt, ist eine Mischung aus Faszination und Frust. Ein Mercedes W124 mag für die Ewigkeit gebaut sein – aber nicht ohne Aufwand, Geld und Nerven. Der Traum vom unzerstörbaren Kombi zerbröckelt an der Realität aus Rost, Kabeln, Dichtungen und Ersatzteilpreisen.
Und trotzdem: Irgendwie liebe ich das Ding. Vielleicht, weil jedes Problem zeigt, wie viel Handwerk, Mechanik und Geschichte in diesem Auto steckt. Vielleicht auch, weil es mich daran erinnert, dass Autos früher Charakter hatten – und Zähne (zumindest bis die Mäuse sie fanden).
Was lerne ich daraus?

Wer glaubt, einen Klassiker „in gutem Zustand“ zu kaufen, kauft vor allem Hoffnung. Hinter glänzenden Chromstoßstangen lauern Rost, poröse Schläuche und Jahrzehnte an Geschichten. Wer den Traum leben will, muss bereit sein, ihn zu bezahlen – mit Zeit, Geld und einem Schuss Wahnsinn. Doch dazu mehr, wenn die Reparaturen erstmal durch sind.